Weisser Germer (Veratrum album L.)
WALA Arzneimittel
Weisser Germer - Veratrum album L.

Weisser Germer

Synonyme: Brechwurz, Gärwere, Germander, Germel, Germerwurzel, Läusekraut, Weisse Nieswurz
Wissenschaftlicher Name: Veratrum album L.
Familie: Melanthiaceae (Germergewächse)
Heimat: Gebirgszüge der Alpen und des Jura bis 2000 Meter Höhe.
Inhaltsstoffe: Stark giftige Alkaloide.

Beschreibung

Der Weisse Germer ist eine imposante Erscheinung auf feuchten Wiesen gebirgiger Regionen. Er ähnelt dem Gelben Enzian in der Statur und in den Blättern, ist aber mit den Liliengewächsen verwandt. Der kurze, walzenförmige Wurzelstock mit zahlreichen dünnen Wurzelauswüchsen trägt einen bis zu 1,50 Meter hoch wachsenden, dicht behaarten Stängel, den im unteren Bereich grosse, bis zu 30 Zentimeter lange elliptische, nach oben hin lanzettliche Blätter mit parallel verlaufenden Blattnerven umfassen. Der obere Abschnitt der Pflanze ist von Blüten dominiert, die büschelweise in einer grossen Rispe stehen. Die etwa einen Zentimeter gross werdenden, weissen bis grünlich-weissen, sechsblättrigen Einzelblüten erscheinen zum ersten Mal, wenn die mehrjährige Pflanze etwa zehn Jahre alt ist. Sie blühen von Juli bis August und wirken in der Gesamtheit in den grossen Rispen sehr stark. Besonders im Sonnenschein entwickelt sich ein aufdringlicher Duft, der diesen mächtigen Eindruck unterstreicht.

Vorsicht

Alle Teile der Pflanze, besonders die Wurzel, sind tödlich giftig! Deshalb ist es wichtig, ihn vom Gelben Enzian zu unterscheiden, der ihm ohne Blüten zum Verwechseln ähnlich ist und als starkes Bittermittel in verdauungsfördernden Mitteln zum Einsatz kommt. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal sind die Blattnerven: Beim Weissen Germer verlaufen sie längs, beim Gelben Enzian netzförmig. Dennoch ist beim Sammeln des Gelben Enzian Vorsicht geboten!

Verwendung

Die Homöopathie setzt durch Potenzierung verdünnte Zubereitungen der Wurzel gegen Kreislaufstörungen und niedrigen Blutdruck, Depressionen, Migräne sowie Bronchitis älterer Menschen ein. Niedrigere Potenzen kommen bei Durchfällen, Nahrungsmittelvergiftungen, Ischias, Wadenkrämpfen und Neuralgien zur Anwendung.

Vorsicht

Der Weisse Germer ist tödlich giftig und nur in den Händen von medizinischem Fachpersonal ein potentes Arzneimittel!

Was tun im Vergiftungsfall

Bereits zwei Gramm der getrockneten Wurzel können tödlich wirken. Erste Vergiftungsanzeichen sind Übelkeit, Erbrechen, heftigste Durchfälle und Pulsverlangsamung. Bei Vergiftung müssen sofort Arzt und Krankenhaus benachrichtigt werden. Über die verschiedenen Informationszentralen gegen Vergiftungen erhalten Sie innerhalb eines kostenlosen 24-Stunden-Services professionellen Rat. Eine Liste deutscher, österreichischer und Schweizer Vergiftungszentralen finden Sie im Internet beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

Wissenswertes

Nicht verwechseln darf man den auch als Weisse Nieswurz bezeichneten Weissen Germer mit der zu den Hahnenfussgewächsen gehörenden Nieswurz (Helleborus niger), die als eine der ersten Frühlingsboten ihre weissen Blüten öffnet. Ihren Namen erhielten beide, weil sie in Niespulvermischungen ihre Wirkung tun. So enthält der Schneeberger Schnupftabak Spuren der getrockneten Wurzel des Weissen Germers. Die Menge ist so gering, dass der Verwender keine Sorge vor Vergiftung haben muss. Wer häufiger diesen Schnupftabak nimmt, muss allerdings gelegentlich mit Nasenblutungen rechnen.

Das Niesen sollte nach der Säftelehre des Hippokrates übrigens gegen alle Arten psychischer Erkrankungen wirken. Diesen sollte eine Verschleimung des Gehirns zugrunde liegen, die sich durch das kräftige Niesen beseitigen liesse. Gleich nebenher sollte das Niesen den Verstand schärfen und bestätigen, dass ein wahres Wort gesprochen wurde. Daraus wieder leitet sich vermutlich der wissenschaftliche Name Veratrum von lateinisch verus = wahr ab. Der deutsche Name Germer kommt vom althochdeutschen hram = Marterwerkzeug, was sich auf den scharfen, stechenden Geruch beziehen soll.

In der Antike nutzte man den Weissen Germer als Pfeilgift oder für Giftmorde. Da er auch für Tiere giftig ist, setzte man ihn früher zur Läusebekämpfung sowie zum Vogel- und Fischfang ein. Die Bauern hingegen sehen den Weissen Germer gar nicht gerne, da er den Boden auslaugt und auch Weidevieh an ihm zugrunde gehen kann, das aus Unerfahrenheit von ihm frisst. Ältere Tiere rühren die Pflanze wohlweisslich nicht an.

Den nordamerikanischen indigenen Völkern ist der Weisse Germer als Brechmittel bekannt. Wessen Magen gegen die Wurzel am unempfindlichsten war, wurde zum Häuptling gewählt.